2025-04-15

Europa in der Neuen Weltordnung

Europa und die entstehende neue Weltordnung

Am 31. März 2025 haben Heinrich Kreft, Jochen Richter und Ich während einer Online-Veranstaltung des Diplomatic Council unser neues Buch „Europa und die entstehende neue Weltordnung[1]vorgestellt. Diese Veranstaltung ist Teil einer größeren Vortragsreihe in verschiedenen Städten und Ländern.

Worum geht es in diesem Buch?

Sicherheit – eng definiert, weit gedacht

Von einem Buch mit dem Titel „Europa und die entstehende neue Weltordnung” können die Leser umfassende Einblicke in die mögliche Ausgestaltung dieser neuen Weltordnung erwarten. Darüber hinaus sollten Ihnen Perspektiven auf die wichtigsten Akteure und die beteiligten Kräfte geboten wwerden. Unser Buch bietet genau das.

Nach einer einführenden Präambel und einem Vorwort behandeln die 19 Autoren auf 524 Seiten in zwölf ausführlichen Kapiteln ein breites Themenspektrum:

  1. Prolog
  2. Was ist Sicherheit?
  3. Die sich entwickelnde Weltordnung
  4. Reformbedarf für die regelbasierte internationale Ordnung
  5. Europas Rolle in einer multipolaren Welt
  6. Abschreckung und ihre Bedeutung im 21. Jahrhundert
  7. Bekämpfung von Desinformation im Kontext hybrider Bedrohungen
  8. Die Stärkung der Cyber-Resilienz ist dringender denn je
  9. Europäische Gesellschaften in der Verteidigung – Resilienzkonzepte
  10. Sicherung von Lieferketten – Überlegungen aus der Industrie
  11. Bewältigung des Klimawandels – zwei Perspektiven
  12. Aufruf zur Aktion

Hier sind die Autoren, alphabetisch aufgelistet:

  1. Dr. Alina Bârgăoanu, Professorin, Mitglied des EDMO-Beirats
  2. Răzvan Ceuca, Experte für Internationale Beziehungen am New Strategy Center, Rumänien
  3. Simona Cojocaru, Staatssekretärin für Verteidigung in Rumänien
  4. Stacy A. Cummings, Geschäftsführerin der NSPA
  5. Dr. Judith Curry, Präsidentin des Climate Forecast Applications Network
  6. Andreas Dripke, Geschäftsführender Vorsitzender des Diplomatic Council
  7. Dorin Gal, Politikberater im rumänischen Verteidigungsministerium, Diplomatieexperte
  8. Stephan J. Kramer, Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz
  9. Prof. Dr. Heinrich Kreft, Präsident des Diplomatic Council, Botschafter a.D. Herausgeber
  10. Dr. Ciro Maddaloni, politischer Meinungsforscher „Giornale Diplomatico”
  11. Michael Mattis, Gründer und CEO Silicon Valley Europe
  12. Jamal Qaiser, Friedensaktivist. Beauftragter des Diplomatic Council für UN-Angelegenheiten
  13. Jochen M. Richter, Vorsitzender des Diplomatic Council Global Security Forum. Herausgeber
  14. Marc Ruberg, Verantwortlicher Referent des Baden-Württembergischen Hochschulnetzwerks
  15. Prof. Dr. Peter Schallenberg, Prof. für Moraltheologie und Theologische Ethik
  16. Dr. Harald Schönfeld, Gründer und CEO von hutterflymanager und United Interim
  17. André Schulte-Südhoff, Geschäftsführer und Gesellschafter von Schüko
  18. George Scutaru, Gründer und CEO des New Strategy Center, Rumänien
  19. Dr. Horst Walther, Beauftragter des Diplomatic Council für UN-Angelegenheiten, Herausgeber

Obwohl die Autoren verschiedene Aspekte eines aber gemeinsamen Themas behandeln, sind ihre Ansichten nicht immer einheitlich. Diese Vielfalt spiegelt den breiteren aktuellen Diskurs wider und ist eher von Vorteil als von Nachteil. Lediglich im relativierenden Kapitel zum Klimawandel fehlt ein starker Gegenvorschlag. Den bieten wir mit: „Leave no Trace – on Climate Change and Beyond” von Europeans for the Planet [2].

Wie ein roter Faden zieht sich jedoch das Thema Sicherheit durch alle Beiträge – mal direkt, mal indirekt. Die Diskussion reicht von philosophischen Überlegungen bis hin zu praktischen, operativen Anforderungen im Zusammenhang mit dem anhaltenden Konflikt zwischen dem Westen und Russland um die Ukraine, von denen einige durch die jüngsten Ereignisse möglicherweise bereits überholt wurden.

Nachdem wir uns zunächst mit der eher philosophischen Frage „Was ist Sicherheit?” befasst haben – entweder objektiv (Abwesenheit von Bedrohungen) oder subjektiv (Sicherheitsgefühl) betrachtet –, wenden wir uns nun der zentralen Frage zu, wie wir diese Sicherheit erreichen können. Diese Frage erscheint heute dringlicher, als wir es noch vor Kurzem erwartet hatten. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Werks war sie lediglich eine beunruhigende Vorahnung.

Reicht es denn für Deutschland aus, seine Streitkräfte „kriegstauglich” zu machen [3]? Reicht es aus, neue riesige und nicht vorhandene Budgets für Waffenkäufe, eine „Zeitenwende[4], Infrastruktur und kostspielige Wahlgeschenke freizugeben? Dieser Ansatz ähnelt eher der Verheißung „Freibier für alle!”.

Oder brauchen wir etwas Substanzielleres – mehr Zusammenhalt, Leistungsfähigkeit, Verlässlichkeit – ein unabhängiges, autonomes und selbstbewusstes Europa, dessen Mitgliedstaaten weder von Freund noch von Feind einzeln erpressbar sind?

Von Freund? – Ein kurzer Exkurs zu „MAGA” und „America First”

Erleben wir aktuell den verzweifelten Schlachtruf des US-Imperiums im Niedergang, wie es unter anderem der ehemalige Bridgewater-Investor Ray Dalio [5] vermutet? Dalio identifiziert acht messbare Indikatoren für einen Rückgang:

  1. Bildung
  2. Wettbewerbsfähigkeit
  3. Innovation & Technologie
  4. Wirtschaftsleistung
  5. Anteil am Welthandel
  6. Militärische Stärke
  7. Stärke der Finanzmärkte
  8. Status der Reservewährung

Einige Analysten meinen bereits Anzeichen eines Rückgangs beim letzten Indikator zu erkennen. Diese minimale, aber dennoch signifikante Erosion der Dollar-Dominanz wird sowohl von internen als auch von externen Kräften vorangetrieben, insbesondere von seiner Instrumentalisierung als Kampfmittel, die die Entstehung paralleler Währungssysteme beschleunigt.

Oder erneuert sich Amerika gerade vor unseren Augen und setzt eine Doktrin des 19. Jahrhunderts fort, die als „Manifest Destiny” bekannt ist – das „heilige Recht” auf gewaltsame Expansion, ein Begriff, der vom Journalisten John O’Sullivan geprägt wurde? Wenn ja, welchen Platz nimmt Europa in diesem Szenario ein? Es scheint, als ob unsere Rolle darin besteht, entweder diese Agenda zu unterstützen oder mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen hzu müssen.

Europa steht allerdings nicht im Zentrum der amerikanischen Überlegungen. Die Priorität der USA liegt auf der globalen Dominanz. Derzeit findet der erbitterte Kampf zwischen den USA und China statt. Europa ist eingeladen, sich auf amerikanischer Seite zu beteiligen.

Anfangs glaubte der Westen, dass Chinas Integration in den Welthandel das Land unweigerlich in eine Demokratie westlichen Typs verwandeln oder zum Scheitern führen würde. Doch China hat es geschafft, seiner Linie tgreu zzu b leiben und nicht zu scheitern [6].

Ironischerweise ähnelt Washingtons Wirtschaftspolitik heute Chinas Strategie der letzten zehn Jahre – wie eine „chinesische Politik mit amerikanischen Merkmalen[7]..

Für Europa sind diese Entwicklungen eher beunruhigend. Die relativ kleinen europäischen Staaten laufen Gefahr, von den dominierenden geopolitischen Kräften erdrückt zu werden.

Friedrich Merz’ Proklamation „Deutschland ist zurück” bietet da wenig Beruhigung [8].

Europa steht vor einer wesentlichen Entscheidung

Zurück zum Buch: Europa muss sich neu erfinden, um in diesem epischen Zusammenprall der Supermächte nicht zum Kollateralschaden zu werden. Unsere Publikation untersucht diesen erweiterten Sicherheitsbegriff und wirft einige grundlegende Fragen auf:

Welches Europa wünschen wir uns?

Welches Modell könnte erfolgreich sein?

Für welche Vision lohngt es sich, zu kämpfen?

Ist es das geografisch definierte Europa?

Traditionell wird Europa geografisch als ein Subkontinent Eurasiens betrachtet, der sich vom norwegischen Kinnarodden bis zur spanischen Punta de Tarifa, vom portugiesischen Cabo da Roca bis zum russischen Uralgebirge erstreckt.

Bemerkenswerterweise definierte der russische Zar Peter der Große die Ostgrenze Europas aus politischer Absicht mit dem Ural weit im Osten. Er verankerte Russland damit fest in Europa – eine Sicht, die sich bis heute erhalteen hat.

Offensichtlich erweist sich die Geographie allein als definierendes Merkmal als unzureichend.

Ist das die heutige Europäische Union?

Schließlich existiert dieses Gebilde bereits – als loser Staatenbund. Die heutige EU ist zweifellos eine bemerkenswerte Errungenschaft, wie Dr. Christoph Heusgen in seiner wunderschönen Einleitung zu unserem Buch eindrucksvoll darlegt.

Doch immer mehr Stimmen fordern Reformen oder eine weitere Integration. Die Skepsis wächst. Insbesondere in den Kernländern der EU haben große Teile der Bevölkerung der Idee eines vereinten Europas bereits den Rücken gekehrt. Manche sprechen offen von einer Fehlkonstruktion. Jedenfalls ist die Entwicklung eindeutig ins Stocken geraten, in eine Sackgasse geraten.

Auch gibt es keinen triftigen Grund, das angestrebte europäische Gebilde auf die Mitglieder der bestehenden EU zu beschränken.

Andererseits werden nicht alle Mitgliedstaaten bereit sein, einen weiteren mutigen gemeinsamen Schritt zu wagen. Manche Staaten würden den wenig erfolgversprechenden Weg der Souveränität als Einzelstaaten bevorzugen.

Ich teile die Ansicht von Ian Bremmer (den ich im Folgenden zitiere), dass die EU als Ganzes nicht in der Lage ist, unter Druck effektiv und kollektiv zu handeln.

Offensichtlich wird auch die Europäische „Union” nicht das Gebilde sein, das wir benötigen.

Ist es eine Gemeinschaft, die von europäischen Werten geprägt ist?

Es gibt tatsächlich etwas, das Europa einzigartig macht, ein Merkmal, das uns grundlegend vom Rest der Welt unterscheidet, etwas, auf das wir stolz sein können und das wir notfalls verteidigen sollten.

Wir sprechen hier von den Errungenschaften der europäischen Aufklärung der letzten 300 Jahre. Immanuel Kant charakterisierte diese philosophische Bewegung einst als „den Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.” [9], [10] Diese Ideen bilden die Wurzel des modernen Europas. Die Kraft, die uns verbindet und auf die wir zu Recht stolz sein können, entspringt den Ideen der Aufklärung, die vor über drei Jahrhunderten entwickelt wurden. Diese Ideen bilden das Fundament unserer Identität, leiten die Prinzipien unseres Handelns und definieren die Grenzen der Einheit, die wir auch das Europa der Werte nennen können.

Was unterscheidet Europa sonst noch – positiv – vom Rest der Menschheit?

Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Chancengleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte sind auch die Werte, auf denen die Europäische Union gründet. Sie werden jedoch nicht immer respektiert.

Die durch diese gemeinsamen Grundforderungen definierte Einhait wäre auch das Europa unserer Wünsche.

Wo verlaufen dann Europas Grenzen?

Aber wo liegen dann die Grenzen für die Aufnahme neuer Mitglieder und möglicherweise den Ausschluss bestehender? Wo liegen die Grenzen für die Integration von Migranten aus anderen Kulturen?

Die Aussage lautet: Europas geografische Grenzen werden letztlich durch die Grenzen des gesellschaftlichen Konsenses bestimmt. Diese Grenzen lassen sich am besten mit dem Theorem des sogenannten „Böckenförde-Paradoxons” zusammenfassen. [11] Es ist nach dem deutschen Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde benannt. Es verweist auf eine grundlegende Spannung in liberalen Demokratien, die einfach nicht ignoriert werden kann. Dort heißt es: „Der liberale, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er sich selbst nicht garantieren kann.

Demnach setzt ein demokratischer, liberaler Staat bestimmte moralische und soziale Werte seiner Bürger voraus. Dazu gehören bürgerschaftliches Engagement, gegenseitiges Vertrauen und ein gemeinsames Zielbewusstsein. Diese Werte können jedoch nicht vom Staat erzwungen werden. Sie müssen aus der Zivilgesellschaft selbst hervorgehen, insbesondere aus nichtstaatlichen Institutionen wie der Familie, religiösen Organisationen und kulturellen Traditionen.

Sind diese Voraussetzungen nicht von Anfang an erfüllt oder erodieren ihre sozialen Grundlagen, kann der Staat die Bürger nicht zur Aufrechterhaltung der liberalen Demokratie zwingen. Darin liegen die wahren Grenzen für ein Gebilde, das sich Europa nennen will – sowohl hinsichtlich der Mitgliedschaft der Staaten als auch hinsichtlich der Integration von Migranten.

Es wird nicht einfach sein, dieses Prinzip konsequent anzuwenden, und es bleibt unklar, mit welchen Mitteln dies gelingen soll. Wenn wir jedoch nicht danach leben, bedeutet das das Ende aller Hoffnung auf bürgerliche Freiheiten und aller anderen Errungenschaften seit der Entstehung der Aufklärung.

Europa muss sich also neu erfinden

Dies ist ein keineswegs nur meine exzentrische persönliche Meinung. Es ist ein Aufruf zum Handeln.

Es wäre strategischer Selbstmord, wenn wir uns für unser Überleben auf die feindseligen USA verlassen würden, erklärte Sigmar Gabriel kürzlich in einem Interview mit Gabor Steingart im Pioneer Newsletter. [12].

Der US-Amerikaner Ian Bremmer von GZero Media sagt [13]:

Nach Jahren der Selbstgefälligkeit scheinen die europäischen Staats- und Regierungschefs endlich verstanden zu haben, dass die Vereinigten Staaten unter Trump nicht nur ein unzuverlässiger Freund, sondern eine aktiv feindliche Macht sind. Sie haben verstanden, dass sie Europas souveräne militärische, technologische und wirtschaftliche Fähigkeiten drastisch stärken müssen – nicht nur, um ohne Amerika zu überleben, sondern auch, um ihre Grenzen, Volkswirtschaften und Demokratien gegen Amerika zu verteidigen. Ob sie jedoch den politischen Mut aufbringen können, dieser Erkenntnis Taten folgen zu lassen, ist Europas größte Bewährungsprobe seit 1945.

Die Ironie ist, dass Europa die Ressourcen und die Fähigkeit hat, für sich selbst, seine Werte und seine europäischen Mitbürger einzustehen. Was fehlt, ist der kollektive Mut, so zu handeln, als wäre es 1938 und nicht 1989. Das muss sich ändern, sowohl im Interesse der Ukraine als auch in ihrem eigenen.

Constanze Stelzenmüller von der New York Times schreibt [14]:

Eine der größten Ironien Trumps ist, dass er sich als der große Einiger Europas erweist. Man kann gar nicht hoch genug einschätzen, wie schockiert die Europäer über das sind, was hier passiert.

Das sind großartige Aussichten für uns Europäer, nicht wahr? Unsere europäischen Politiker haben sicherlich einen gewaltigen Schock erlitten. Die daraus resultierende Arbeit muss allerdings noch geleistet werden.

Keiner der drei zitierten Autoren – und auch sonst niemand – gibt Ratschläge, wie dies geschehen soll.

Deshalb unternehmen wir hier etwas.

Was jetzt erforderlich ist, ist der Übergang von einem Staatenbund (Konföderation) zu einem Bundesstaat (Föderation) – monolithisch nach außen und divers und föderal nach innen.

Was für ein Wandel – aber kommt er wirklich überraschend?

Viele Menschen haben das Gefühl, als lebten wir plötzlich in einer völlig anderen Welt. Aber vielleicht wurden wir einfach nur unsanft aus einer Illusion gerissen, in der wir dank der – zugegebenermaßen – sehr geschickten US-Außenpolitik gelebt haben.

„Es herrscht große Unordnung unter den Himmeln”, möchte man da Mao Zedong zitieren. [15].

Die Unordnung ist definitiv real. Infolgedessen vermitteln unsere Politiker einen eher hilflosen Eindruck. Sie sind schlichtweg nicht in der Lage, ihre Ansichten so schnell zu ändern.

Selbst wenn sie es könnten, wüssten sie nicht, wohin die Reise gehen würde. Dartauf sind sie einfach nicht vorbereitet. Der väterliche Rat aus dem Weißen Haus, getreu dem Motto „Sanfte Töne anschlagen, aber einen dicken Knüppel dabei haben [16]”, der bisher blind befolgt wurde, bleibt aus.

Von dort dringen eher schrille Töne zu uns. Währenddessen wüten die Roten Garden der großen oligarchischen Kulturrevolution in den Verwaltungen, die dort bislang Kontinuität garantiert haben.

Testfrage an Sie: Aus welcher Quelle, DOGE oder Mao, stammt das Motto „Bombardiert die Hauptquartiere”? [17]?

Visionäre, die Ziele verfolgen – keine umfragegeleiteten Berufspolitiker

Langsam, sehr langsam dringt die Erkenntnis in unser kollektives Bewusstsein, dass der notwendige Schritt – der Übergang von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat – nicht möglich sein wird, wenn wir ihn den derzeit an der Macht befindlichen Akteuren überlassen.

Sie alle sind Berufspolitiker. Für sie ist Politik ein Beruf – keine Berufung. Ihre Motivation zum Handeln ist der Erwerb persönlicher Macht.

In unserem Szenario müssten sie jedoch Einfluss für eine etwas größere Vision abgeben. Dazu sind sie nicht bereit.

Sie stützen ihre Entscheidungen auf Umfrageergebnisse. Dabei müssten sie unveränderliche Ziele verfolgen. Sie befragen ihr Volk, was zu tun ist. Die Menschen aber erwarten Führung.

Sie sind in ihren Entscheidungen auch nicht so unabhängig, wie sie behaupten. Bisher wurden sie in vielen Fällen aus dem Weißen Haus ferngesteuert.

Was wir Europäer jetzt mehr denn je brauchen, sind Visionäre mit Zielen, die eine möglichst breite soziale Bewegung anführen, eine echte Graswurzelbewegung.

Wer kann diese Bewegung sein? – Ganz einfach: wir alle!

Und tatsächlich existiert diese Bewegung bereits und wartet auf Euch. Es sind die Europäer für den Planeten.


Referenzen

[1] Diplomatischer Rat. (2025, 15. Januar). Europa und die entstehende neue Weltordnung. Diplomatischer Rat. https://www.diplomatic-council.org/news-and-events/news/europe-and-emerging-new-global-order

  • Dieser Artikel stellt das Buch „Europe and the Emerging New Global Order” vor, das vom Diplomatic Council im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlicht wurde. Das Buch mit dem Untertitel „Europas Sicherheitsrahmen neu denken” enthält Beiträge von 21 renommierten Experten, die sich mit drängenden Fragen der europäischen Sicherheitspolitik in einer sich dynamisch verändernden Weltordnung befassen. Das Vorwort von Botschafter Dr. Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, betont die Notwendigkeit für Europa, seine Politik anzupassen, auf die Sorgen der Bürger einzugehen und den europäischen Traum trotz interner und externer Herausforderungen zu bewahren. Der Artikel unterstreicht die Bedeutung des Buches für diejenigen, die sich mit der Zukunft Europas und seiner Rolle in der sich entwickelnden globalen Landschaft befassen.​

[2] Europäer für den Planeten. (2024, 31. Dezember). Hinterlasse keine Spuren – zum Klimawandel und darüber hinaus. Europäer für den Planeten. https://europeansfortheplanet.blogspot.com/2024/12/leave-no-trace-on-climate-change-and.html

  • Dieser Artikel diskutiert einen philosophischen Ansatz für eine nachhaltige menschliche Existenz. Drei Hauptpositionen zum Klimawandel werden analysiert: Klimaalarmisten, Klimamoderate und Klimaskeptiker. Der Artikel beleuchtet die Perspektiven prominenter Vertreter der jeweiligen Positionen, untersucht ihre Argumente im Kontext menschlichen Handelns und dessen Auswirkungen auf den Planeten und zieht abschließend eine rigorose Stellungnahme.

[3] Pistorius, B. (2025, 13. Januar). Gebot der Stunde: Pistorius will Kriegstüchtigkeit erhöhen. ZDFheute. ​

  • In diesem Artikel berichtet ZDF heute über den Aufruf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die „Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr” zu erhöhen. Pistorius betont die Notwendigkeit, die deutsche Verteidigungsfähigkeit zu stärken und plädiert für höhere Verteidigungsausgaben, die über das NATO-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen könnten.

[4] Scholz, O. (2022, 27. Februar). Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022. Deutscher Bundestag. ​

  • In seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 27. Februar 2022 bezeichnet Bundeskanzler Olaf Scholz den russischen Angriff auf die Ukraine als einen „Wendepunkt” in der europäischen Geschichte. Er kündigt an, der Bundeswehr einen Sonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen und die Verteidigungsausgaben auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, um die deutsche Verteidigungsfähigkeit zu stärken.​

[5] Dalio, R. (2021). Prinzipien für den Umgang mit der sich wandelnden Weltordnung: Warum Nationen erfolgreich sind und scheitern. Avid Reader Press / Simon & Schuster.

  • In diesem umfassenden Werk untersucht Ray Dalio, Gründer von Bridgewater Associates, die zyklischen Muster wirtschaftlicher und politischer Mächte der letzten 500 Jahre. Er identifiziert wiederkehrende Faktoren, die zum Aufstieg und Niedergang von Nationen beitragen, und betont die Bedeutung von Bildung, Innovation und wirtschaftlicher Produktivität. Dalios Analyse bietet Einblicke in die aktuelle globale Dynamik und liefert Prinzipien für die Navigation in der sich entwickelnden Weltordnung. ​

[6] Kristof, N. D. (18. November 2018). Das Land, das nicht scheitern konnte. The New York Times.

  • In diesem aufschlussreichen Artikel untersucht Nicholas D. Kristof Chinas unerwartete wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und seinen Widerstand gegen zahlreiche Vorhersagen, die seinen Zusammenbruch vorhersagten. Er untersucht, wie Chinas einzigartige Kombination aus Marktreformen und autoritärer Regierungsführung zu seinem nachhaltigen Wachstum beigetragen hat und stellt damit konventionelle westliche Perspektiven auf wirtschaftliche Entwicklung und politische Stabilität in Frage.

[7] Froman, M. B. G. (2025, 25. März). China hat das internationale System bereits umgestaltet. Auswärtige Angelegenheiten.

  • In diesem aufschlussreichen Artikel untersucht Michael B. G. Froman, Präsident des Council on Foreign Relations, wie Chinas Wirtschaftsstrategien die globale Wirtschaftspolitik beeinflusst haben. Er hebt die Ironie hervor, dass die Vereinigten Staaten nach Jahrzehnten der Kritik an Peking für seine hohen Zölle und staatlich gelenkten Wirtschaftspraktiken nun ähnliche Maßnahmen ergreifen – was er als „chinesische Politik mit amerikanischen Merkmalen” bezeichnet. Froman erörtert die Auswirkungen dieses Wandels und legt nahe, dass Chinas Vorgehen die internationale Wirtschaftsordnung nachhaltig verändert und die USA dazu veranlasst hat, ihre eigenen Strategien zu überdenken.

[8] n-tv.de. (2025, 18. März). Merz: "Deutschland ist zurück" – SPD sieht "historisches Signal". n-tv Nachrichten.

  • Dieser Artikel berichtet über die Einigung auf ein umfassendes, milliardenschweres, schuldenfinanziertes Paket zur Stärkung der deutschen Verteidigung, Wirtschaft und Infrastruktur. CDU-Vorsitzender Friedrich Merz bezeichnet die Einigung als „klare Botschaft” an Freund und Feind, während die SPD von einem „historischen Signal” spricht. Auch die Grünen sehen in der Vereinbarung eine erneute Stärkung des Klimaschutzes.​

[9] Kant, I. (1784). der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift, Dezember 1784, 481-494.

  • In diesem einflussreichen Essay definiert Immanuel Kant Aufklärung als „das Ausscheiden des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit” und erklärt, dass Unmündigkeit die Unfähigkeit ist, seinen Verstand ohne Anleitung anderer zu gebrauchen. Kant argumentiert, dass Aufklärung erreicht ist, wenn der Einzelne es wagt, selbst zu denken und Verantwortung für seine eigene geistige Freiheit zu übernehmen. Er betont, dass der Prozess der Aufklärung ein fortlaufender Prozess ist und den Mut erfordert, etablierte Autoritäten in Frage zu stellen. Dieser Essay gilt als grundlegender Text der modernen Philosophie und der Aufklärung.

[10] Kant, I. (1996). Eine Antwort auf die Frage: Was ist Aufklärung? (H. B. Nisbet, Übers.). In M. J. Gregor (Hrsg.), Praktische Philosophie (S. 11–22). Cambridge University Press.

  • Diese übersetzte Fassung von Kants Essay von 1784 bietet eine verständliche Einführung in seine Gedanken zur Aufklärung. Der Übersetzer H. B. Nisbet liefert eine klare Darstellung von Kants Argumentation für den Wert intellektueller Unabhängigkeit und Autonomie – Themen, die für die heutige Diskussion über Freiheit, Vernunft und Fortschritt nach wie vor von zentraler Bedeutung sind. Diese Ausgabe ist Teil der Cambridge-Sammlung „Praktische Philosophie”, die viele der wichtigsten ethischen Schriften Kants enthält.

[11] Böckenförde, E. W. (1991). Staat, Gesellschaft und Freiheit: Studien zur politischen Theorie und zum Verfassungsrecht. Berg Verlag.

  • Dieses Werk enthält Böckenfördes Schlüsselschriften zum Verhältnis von liberalem Staat und Gesellschaft, darunter sein berühmtes Paradoxon über die Grenzen staatlicher Macht bei der Förderung der für Demokratie notwendigen sozialen Bedingungen. Eine Pflichtlektüre für das Verständnis der theoretischen Grundlagen des liberalen Staates.

[12] Gabriel, S.(2023, 16. Dezember). Kann man sich noch auf die USA verlassen, Sigmar Gabriel? [Podcast-Folge]. Im Weltbriefing. Der Pionier.

  • In dieser Podcast-Folge diskutiert Sigmar Gabriel mit Chelsea Spieker die geopolitischen Herausforderungen im Vorfeld der US-Wahlen 2024. Gabriel äußert Bedenken hinsichtlich der Verlässlichkeit der USA als Partner und betont die Bedeutung einer unabhängigeren europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.

[13] Bremmer, I. (26. März 2025). Das Ende der transatlantischen Beziehungen, wie wir sie kennen. GZERO Media. https://www.gzeromedia.com/by-ian-bremmer/the-end-of-the-transatlantic-relationship-as-we-know-it

  • In diesem aufschlussreichen Artikel untersucht Ian Bremmer, Präsident und Gründer von GZERO Media und der Eurasia Group, die signifikanten Veränderungen der transatlantischen Beziehungen während Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident. Bremmer hebt hervor, wie sich Europas Bündnis mit den Vereinigten Staaten grundlegend verändert hat und vor beispiellosen Herausforderungen steht. Er erörtert die umfassenderen geopolitischen Auswirkungen dieses Wandels und betont, dass Europa seine strategische Positionierung angesichts der sich wandelnden US-Außenpolitik neu bewerten muss.

[14] Stelzenmüller, C. (2025, 12. März). Europas strategisches Erwachen: Navigation in einer neuen Weltordnung. The New York Times.

  • In diesem aufschlussreichen Artikel untersucht Constanze Stelzenmüller, Senior Fellow der Brookings Institution, Europas sich entwickelnde Rolle in der sich wandelnden globalen Landschaft des Jahres 2025. Sie diskutiert die Reaktion des Kontinents auf neue geopolitische Herausforderungen, darunter die Neuausrichtung der transatlantischen Beziehungen und die Notwendigkeit für Europa, eine größere strategische Autonomie zu erlangen. Stelzenmüller betont die Bedeutung einer kohärenten Außen- und Verteidigungspolitik der europäischen Nationen, um die Komplexität einer multipolaren Welt effektiv zu meistern.

[15] Zedong, M. (o.D.): „Unter dem Himmel herrscht große Unordnung; die Lage ist ausgezeichnet.”

  • Diese Aussage wird Mao Zedong zugeschrieben und spiegelt seine Perspektive in Zeiten großer Umbrüche wider. Er glaubte, dass gesellschaftliches Chaos Möglichkeiten für revolutionäre Veränderungen schaffen könne. Der genaue Ursprung dieses Zitats ist umstritten, doch es bringt Maos strategischen Ansatz in turbulenten Zeiten auf den Punkt.

[16] Roosevelt, T. (2. September 1901). Rede auf der Minnesota State Fair.

  • In seiner Rede auf der Minnesota State Fair am 2. September 1901 formulierte Vizepräsident Theodore Roosevelt seine außenpolitische Philosophie mit dem Satz: „Sprich leise und trage einen großen Knüppel; du wirst es weit bringen.” Roosevelt führte diesen Ausspruch auf ein westafrikanisches Sprichwort zurück, dessen genaue Herkunft jedoch unklar bleibt. Diese Rede war eine der ersten öffentlichen Verwendungen des Satzes und brachte Roosevelts Überzeugung zum Ausdruck, friedlich verhandeln zu können und gleichzeitig bereit zu sein, seine Politik notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Dieser Ansatz wurde zu einem Eckpfeiler seiner Präsidentschaft und beeinflusste die außenpolitischen Entscheidungen der USA während seiner Amtszeit.

[17] Zedong, M. (5. August 1966), „Bombardierung des Hauptquartiers – Mein Plakat mit großen Schriftzeichen.”

  • Am 5. August 1966 gestaltete Mao Zedong ein Plakat mit großen Schriftzeichen mit dem Titel „Bombardierung des Hauptquartiers”, das den Beginn der Kulturrevolution einläutete. Auf diesem Plakat kritisierte Mao einige Führer der Kommunistischen Partei für die Durchsetzung einer bürgerlichen Diktatur und die Unterdrückung der proletarischen Bewegung. Dieses Dokument spielte eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung der Massen gegen vermeintlich konterrevolutionäre Elemente innerhalb der Partei.​

2025-04-11

Europe in the New World Order

Europe and the emerging New Global Order

On March 31, 2025, Heinrich Kreft, Jochen Richter, and I presented our new book „Europe and the Emerging New Global Order[1] during an online event hosted by the Diplomatic Council. This event was part of a broader series of presentations held in various cities and countries.

What is the book about?

Security – narrowly defined, broadly conceptualised

From a book titled "Europe and the Emerging New Global Order", readers should expect comprehensive insights into how this new global order might take shape. Furthermore, it should provide perspectives on the key players and the forces involved. Our book aims to do precisely that.

After an introductory preamble and foreword, 19 contributors cover a wide range of issues across 524 pages in twelve detailed chapters:

  1. Prologue
  2. What is Security?
  3. The evolving global order
  4. Reform needs for the rules-based international order
  5. Europe’s role in a multipolar world
  6. Deterrence and its meaning in the 21st century
  7. Tackling Disinformation in the Context of Hybrid Threats
  8. Strengthening cyber resilience is more urgent than ever
  9. European societies in defence – Resilience concepts
  10. Securing Supply Chains – Reflections from Industry
  11. Addressing climate change – two perspectives
  12. Call to Action

Here are the authors, listed alphabetically:

  1. Dr. Alina Bârgăoanu, Professor, Member EDMO Advisory Board
  2. Răzvan Ceuca, International Relations Expert at New Strategy Center, Romania
  3. Simona Cojocaru, State Secretary Defence for Romania
  4. Stacy A. Cummings, NSPA General Manager
  5. Dr. Judith Curry, President Climate Forecast Applications Network
  6. Andreas Dripke, Executive Chair Diplomatic Council
  7. Dorin Gal, Policy adviser Romania's Defence Ministry, diplomacy expert
  8. Stephan J. Kramer, President of the Thuringian State Intelligence Office
  9. Prof. Dr. Heinrich Kreft, President Diplomatic Council, Ambassador (ret.). Editor
  10. Dr. Ciro Maddaloni, political Opinionist “Giornale Diplomatico”
  11. Michael Mattis, Founder and CEO Silicon Valley Europe
  12. Jamal Qaiser, Peace Activist. Diplomatic Council Commissioner for UN Affairs
  13. Jochen M. Richter, Chair Diplomatic Council Global Security Forum. Editor
  14. Marc Ruberg, Officer in charge Baden-Württemberg University Network
  15. Prof. Dr. Peter Schallenberg, Prof. Moral Theology and Theological Ethics
  16. Dr. Harald Schönfeld, Founder & CEO hutterflymanager and United Interim
  17. Andre Schulte-Südhoff, Managing Director and shareholder of Schüko
  18. George Scutaru, Founder and CEO New Strategy Center, Romania
  19. Dr. Horst Walther, Diplomatic Council Commissioner for UN Affairs, Editor

It is inevitable that although the authors address a shared topic, their views do not uniformly align. This diversity reflects the broader contemporary discourse and is beneficial rather than detrimental. Only the relativising chapter on climate change lacks a strong opposing viewpoint. We therefore offer such a necessary perspective: Europeans for the Planet’s "Leave no Trace – on Climate Change and Beyond" [2].

Security, however, forms a consistent thematic thread throughout these contributions—sometimes directly, sometimes indirectly. The scope of the discussion ranges from philosophical reflections to practical, operational demands related to the ongoing conflict between the West and Russia over Ukraine, some of which may already have been overtaken by recent events.

Having initially tackled the more philosophical question of "What is security?"—considered either objectively (absence of threats) or subjectively (feeling secure)—we proceed to the vital question of how we can achieve this security. This question feels more urgent now than we anticipated even recently. At the time of writing, it was merely a troubling premonition.

Is it enough for Germany simply to make its armed forces "fit for war" [3]? Is it sufficient to open new giant budgets for weapons, an “epochal change” (Zeitenwende) [4], infrastructure, and costly election giveaways? This approach seems more like handing out "free beer for all".

Or do we require something more substantial—more cohesion, capability, reliability—an independent, autonomous, and self-confident Europe, whose member states cannot be individually blackmailed by either friend or foe?

Friends? – A short digression on "MAGA" and "America First"

Are we witnessing the desperate battle cry of an empire in decline, as former Bridgewater investor Ray Dalio [5], among others, suggests? Dalio identifies eight measurable indicators of decline:

  1. Education
  2. Competitiveness
  3. Innovation & Technology
  4. Economic Output
  5. Share of World Trade
  6. Military Strength
  7. Financial Market Strength
  8. Reserve Currency Status

Some analysts already perceive signs of decline in the last indicator. This minimal yet significant erosion of the dollar’s dominance is driven by both internal and external forces, notably its weaponisation, which has accelerated the creation of parallel monetary systems.

Or is America renewing itself, continuing a 19th-century doctrine known as "Manifest Destiny"—the "sacred right" to forceful expansion, a term coined by journalist John O'Sullivan? If so, where is Europe's place in this scenario? It seems our role is either to serve this agenda or face serious consequences.

Europe, however, is not central to America’s considerations. The US priority is global dominance, and currently, the epic struggle is between the US and China. Europe is invited to join on the American side.

Initially, the West believed that China's integration into global trade would inevitably transform it into a Western-style democracy or lead to failure. But China has "failed to fail" [6].

Ironically, today Washington’s economic policy resembles China's past ten-year strategy—a "Chinese policy with American characteristics" [7]..

For Europe, these developments are troubling. The relatively small European states risk being crushed by the dominant geopolitical forces.

Friedrich Merz’s proclamation "Germany is back" rather offers little reassurance [8].

Europe faces a decisive choice

Returning to the book: Europe must reinvent itself to avoid becoming collateral damage in this epic clash between superpowers. Our publication explores this expanded concept of security, posing some fundamental questions:

What kind of Europe do we desire?

Which model could succeed?

For what vision should we fight?

Is it the geographically defined Europe?

Traditionally, Europe is seen geographically as a subcontinent of Eurasia, stretching from Norway’s Kinnarodden to Spain’s Punta de Tarifa, from Portugal’s Cabo da Roca to Russia’s Ural Mountains.

Notably, Russia's Tsar Peter the Great politically defined the eastern boundary, firmly placing Russia within Europe—a stance maintained to this day.

Clearly, geography alone proves to be insufficient.

Is it today’s European Union?

After all, this entity already exists - as a loose confederation of states. Today's EU is undoubtedly a remarkable achievement, as Dr. Christoph Heusgen impressively explains in his wonderful introduction to our book.

However, an increasing number of voices call for reforms or further integration. Scepticism is increasing. Particularly within core EU countries major parts of the population have already completely turned their backs on the idea of a united Europe. Some speak openly of a misconstruction. In any case, development has clearly come to a standstill, a dead end.

Also, there is no good reason to limit the desired entity of Europe to the members of the current EU.

On the other hand, not all member states will be prepared to take another bold joint step. Some states would prefer to take the unpromising path of being sovereign individual states.

I share the view of Ian Bremmer (whom I will quote below) that the EU as a whole is incapable of acting effectively and collectively under pressure.

Obviously, it will not be the European “Union” either.

Is it a community defined by European values?

There is indeed something that makes Europe unique, a feature that fundamentally distinguishes us from the rest of the world, something that we can be proud of and that we should defend if necessary.

We are talking about the achievements of the European Enlightenment over the last 300 years. Immanuel Kant once characterized this philosophical movement as „man's emergence from his self-imposed nonage." [9], [10] These ideas are the root of modern Europe. The force that unites us and of which we can rightly be proud originates from the very ideas of the Enlightenment that were developed over three centuries ago. These ideas form the foundation of our identity, guide the principles of our actions and define the boundaries of the unity that we can also call the Europe of values.

What else distinguishes Europe - positively - from the rest of humanity?

Human dignity, freedom, democracy, equality of opportunity, the rule of law and respect for human rights are also the values on which the European Union is founded. However, they are not always respected.

And that would be the Europe of our desires.

Where, then, are Europe's borders?

But where then are the limits for admitting new members and perhaps excluding existing ones? Where are the limits for integrating migrants from other cultures?

The statement is: Europe's geographical borders are ultimately determined by the limits of social consensus. These borders are best summarized by the theorem known as the "Böckenförde Paradox." [11] It is named after the German constitutional lawyer Ernst-Wolfgang Böckenförde. It points to a fundamental tension in liberal democracies that simply cannot be ignored. It reads: "The liberal, secularized state thrives on preconditions it cannot guarantee itself."

According to this, a democratic, liberal state presupposes certain moral and social values ​​of its citizens. These include civic engagement, mutual trust, and a shared sense of purpose. However, these values ​​cannot be imposed or enforced by the state. They must emerge from civil society itself, particularly from non-state institutions such as the family, religious organizations, and cultural traditions.

If these preconditions are not met from the outset, or if their social foundations were eroding, the state cannot force citizens to maintain liberal democracy. Herein lie the true limitations for an entity that wants to call itself Europe—for both the membership of states and the integration of migrants.

It will not be easy to rigorously apply this principle and it remains unclear by which mean to do so. Failing to live by it however will mean the end of all hope for civil liberties and all other achievements since the idea of enlightenment was incepted.

4. Europe must therefore reinvent itself

This is a "call to action" and by no means just my eccentric individual opinion.

It would be strategic suicide if we relied on the hostile US for our survival, Sigmar Gabriel recently stated in an interview with Gabor Steingart in the Pioneer Newsletter. [12].

The US-American Ian Bremmer of GZero Media says [13]:

After years of complacency, European leaders seem to have finally gotten the message that the United States under Trump is not just an unreliable friend but an actively hostile power. They understand they need to drastically increase Europe’s sovereign military, technological, and economic capabilities – not just to survive without America but also to defend their borders, economies, and democracies against it. Whether they can muster the political mettle to act on this realization, however, is Europe’s greatest test since 1945.

The irony is that Europe has the resources and capacity to stand up for itself, its values, and its fellow Europeans. What’s missing is the collective courage to act like it’s 1938, not 1989. For Ukraine’s sake and its own, that needs to change.

Constanze Stelzenmüller of the New York Times writes [14]:

One of the great ironies of Trump is that he is proving to be the great unifier of Europe. You can't overestimate how shocked the Europeans are by what's happening here.”

These are great prospects for us Europeans, aren't they? Our European leaders have certainly suffered the shock. The corresponding implied work, however, still needs to be done.

None of the three authors cited – nor anyone else utters any advice about how this should happen.

Therefore, we are making a move here.

What is required now is the transition from confederation to federation – monolithic externally and diverse and federal internally.

What a change – but does it really come a surprise?

Many people feel as if we are suddenly living in a completely different world. But perhaps we have simply been rudely awakened from an illusion we have been living in thanks to, admittedly, very skilful deceptive US foreign policy.

"There is great disorder under heavens," one might be inclined to quote Mao Zedong. [15].

The disorder is definitely real. As a result, our politicians convey a rather helpless impression. They are simply unable to re-calibrate their views that quickly.

Even if they could, they wouldn't know where the journey would take them. They are simply not prepared for this. The paternal advice from the White House, according to the motto “speaking softly while carrying a big stick [16]“ which has been blindly followed so far, is not forthcoming any longer.

From there rather shrill tones emerge. Meanwhile, the red guards of the great oligarchic cultural revolution are on the rampage in the administrations that have so far guaranteed continuity there.

Test question to you: from which source DOGE or Mao does the motto originate “Bombard the Headquarters[17]?

Visionaries pursuing goals – not poll-driven career politicians

Slowly, very slowly, the realization is penetrating our collective consciousness that the necessary step—the transition from a confederation to a federal state—will not be possible while leaving it to the actors currently in power.

They are all career politicians. For them, politics is a profession—not a calling. Their motivation for action is the attainment of personal power.

In our scenario, however, they would have to cede influence to a somewhat greater vision. They won't be ready for that.

They base their decisions on poll results. Here, however, they must pursue immutable goals. They also ask their people what should be done. But the people expect leadership.

Nor are they as independent in their decisions as they claim. In many cases they were being remotely controlled in their decisions by the White House.

What we Europeans need now more than ever, are visionaries with goals who will lead the broadest possible social movement, a grassroots movement.

Who can this movement be? – Quite simply, all of us!

And in fact, this movement already exists and is prepared for you to join: Europeans for the Planet.


References

[1] Diplomatic Council. (2025, January 15). Europe and the Emerging New Global Order. Diplomatic Council. https://www.diplomatic-council.org/news-and-events/news/europe-and-emerging-new-global-order

  • This article introduces the book Europe and the Emerging New Global Order, published by the Diplomatic Council ahead of the Munich Security Conference. The book, subtitled "Rethinking Europe’s Security Framework," features contributions from 21 renowned experts who address pressing questions of European security policy in a dynamically changing world order. The foreword, written by Ambassador Dr. Christoph Heusgen, Chairman of the Munich Security Conference, emphasizes the need for Europe to adapt its policies, respond to citizens’ concerns, and uphold the European dream amidst internal and external challenges. The article highlights the book's significance for those concerned with Europe's future and its role in the evolving global landscape.​

[2] Europeans for the Planet. (2024, 31. Dezember). Leave no Trace - on climate change and beyond. Europeans for the Planet. https://europeansfortheplanet.blogspot.com/2024/12/leave-no-trace-on-climate-change-and.html

  • This article discusses a philosophical approach to sustainable human existence. Three main positions on climate change are analysed: Climate Alarmists, Climate Moderates, and Climate Sceptics. The article highlights the perspectives of prominent representatives of each stance and examines their arguments in the context of human activity and its impact on the planet and concludes with a rigorous position.

[3] Pistorius, B. (2025, 13. Januar). Gebot der Stunde: Pistorius will Kriegstüchtigkeit erhöhen. ZDFheute. ​

  • In this article, ZDF heute reports on the call by Defence Minister Boris Pistorius (SPD) to increase the “war capability of the Bundeswehr”. Pistorius emphasizes the need to strengthen Germany's defence capability and advocates higher defence spending, which could go beyond the NATO target of two percent of gross domestic product.

[4] Scholz, O. (2022, 27. Februar). Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022. Deutscher Bundestag. ​

  • In his government statement to the German Bundestag on February 27, 2022, Federal Chancellor Olaf Scholz describes the Russian attack on Ukraine as a “turning point” in European history. He announces that he will provide the Bundeswehr with a special fund of 100 billion euros and increase defence spending to over two percent of gross domestic product in order to strengthen Germany's defence capability.​

[5] Dalio, R. (2021). Principles for dealing with the changing world order: Why nations succeed and fail. Avid Reader Press / Simon & Schuster.

  • In this comprehensive work, Ray Dalio, founder of Bridgewater Associates, examines the cyclical patterns of economic and political powers over the past 500 years. He identifies recurring factors that contribute to the rise and decline of nations, emphasizing the importance of education, innovation, and economic productivity. Dalio's analysis offers insights into current global dynamics and provides principles for navigating the evolving world order. ​

[6] Kristof, N. D. (2018, November 18). The land that failed to fail. The New York Times.

  • In this insightful article, Nicholas D. Kristof explores China's unexpected economic resilience and its defiance of numerous predictions forecasting its collapse. He examines how China's unique blend of market reforms and authoritarian governance has contributed to its sustained growth, challenging conventional Western perspectives on economic development and political stability.

[7] Froman, M. B. G. (2025, March 25). China has already remade the international system. Foreign Affairs.

  • In this insightful article, Michael B. G. Froman, President of the Council on Foreign Relations, examines how China's economic strategies have influenced global economic policies. He highlights the irony that, after decades of criticizing Beijing for its high tariffs and state-led economic practices, the United States is now adopting similar measures—what he terms "Chinese policy with American characteristics." Froman discusses the implications of this shift, suggesting that China's approach has effectively reshaped the international economic order, prompting the U.S. to reconsider its own strategies in response.

[8] n-tv.de. (2025, 18. März). Merz: "Deutschland ist zurück" – SPD sieht "historisches Signal". n-tv Nachrichten.

  • This article reports on the agreement on a comprehensive debt-financed package worth billions to strengthen Germany's defence, economy and infrastructure. CDU leader Friedrich Merz describes the agreement as a “clear message” to friends and foes, while the SPD speaks of a “historic signal”. The Greens also see the agreement as strengthening climate protection once again.​

[9] Kant, I. (1784). Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift, December 1784, 481-494.

  • In this influential essay, Immanuel Kant defines Enlightenment as "man's emergence from his self-imposed nonage" and explains that nonage is the inability to use one's understanding without guidance from others. Kant argues that Enlightenment is achieved when individuals dare to think for themselves and take responsibility for their own intellectual freedom. He emphasizes that the process of Enlightenment is ongoing and requires the courage to question established authority. This essay is considered a foundational text in modern philosophy and the Enlightenment movement.

[10] Kant, I. (1996). An Answer to the Question: What is Enlightenment? (H. B. Nisbet, Trans.). In M. J. Gregor (Ed.), Practical Philosophy (pp. 11-22). Cambridge University Press.

  • This translated version of Kant’s 1784 essay provides an accessible introduction to his thoughts on the Enlightenment. The translator, H. B. Nisbet, offers a clear rendition of Kant’s argument for the value of intellectual independence and autonomy, themes that remain crucial to contemporary discussions of freedom, reason, and progress. This edition is part of Cambridge's "Practical Philosophy" collection, which contains many of Kant's most important ethical writings.

[11] Böckenförde, E. W. (1991). State, Society, and Liberty: Studies in Political Theory and Constitutional Law. Berg Publishers.

  • This work contains Böckenförde’s key writings on the relationship between the liberal state and society, including his famous paradox about the limitations of state power in fostering the social conditions necessary for democracy. A must-read for understanding the theoretical foundations of the liberal state.

[12] Gabriel, S.(2023, 16. Dezember). Kann man sich noch auf die USA verlassen, Sigmar Gabriel? [Podcast-Episode]. In World Briefing. The Pioneer. ​

  • In this podcast episode, Sigmar Gabriel discusses with Chelsea Spieker the geopolitical challenges in the run-up to the US elections in 2024. Gabriel expresses concerns about the reliability of the US as a partner and emphasizes the importance of a more independent European foreign and security policy.

[13] Bremmer, I. (2025, March 26). The end of the transatlantic relationship as we know it. GZERO Media. https://www.gzeromedia.com/by-ian-bremmer/the-end-of-the-transatlantic-relationship-as-we-know-it

  • In this insightful article, Ian Bremmer, President and Founder of GZERO Media and Eurasia Group, examines the significant shifts in the transatlantic relationship during Donald Trump's second term as U.S. President. Bremmer highlights how Europe's alliance with the United States has been fundamentally altered, facing unprecedented challenges. He discusses the broader geopolitical implications of this transformation, emphasizing the need for Europe to reassess its strategic positioning in light of evolving U.S. foreign policies.

[14] Stelzenmüller, C. (2025, March 12). Europe's Strategic Awakening: Navigating a New World Order. The New York Times.

  • In this insightful article, Constanze Stelzenmüller, a senior fellow at the Brookings Institution, examines Europe's evolving role in the shifting global landscape of 2025. She discusses the continent's response to emerging geopolitical challenges, including the recalibration of transatlantic relations and the necessity for Europe to assert greater strategic autonomy. Stelzenmüller emphasizes the importance of cohesive foreign and defence policies among European nations to effectively navigate the complexities of a multipolar world.

[15] Zedong, M. (n.d.), "There is great disorder under heaven; the situation is excellent."

  • This statement is attributed to Mao Zedong, reflecting his perspective during periods of significant upheaval. He believed that societal chaos could create opportunities for revolutionary change. While the exact origin of this quote is debated, it encapsulates Mao's strategic approach during tumultuous times.

[16] Roosevelt, T. (1901, September 2). Address at the Minnesota State Fair.

  • In his address at the Minnesota State Fair on September 2, 1901, Vice President Theodore Roosevelt articulated his foreign policy philosophy with the phrase, "speak softly and carry a big stick; you will go far." Roosevelt attributed this saying to a West African proverb, though its exact origins remain unclear. This speech marked one of the earliest public uses of the phrase, encapsulating Roosevelt's belief in negotiating peacefully while maintaining the readiness to enforce policies through strength if necessary. This approach became a cornerstone of his presidency, influencing U.S. foreign policy decisions during his tenure.

[17] Zedong, M. (August 5, 1966), "Bombard the Headquarters – My Big-Character Poster."

  • On August 5, 1966, Mao Zedong authored a big-character poster titled "Bombard the Headquarters," signalling the start of the Cultural Revolution. In this poster, Mao criticized certain Communist Party leaders for enforcing a bourgeois dictatorship and suppressing the proletarian movement. This document played a pivotal role in mobilizing the masses against perceived counter-revolutionary elements within the Party.​

2025-04-08

Zeit für Europa, den Reset-Knopf zu drücken


"Große Unordnung herrscht unter den Himmeln – die Lage ist ausgezeichnet"
(天下大乱形势大好).

Diese Worte von Mao Zedong im Jahr 1967, ausgesprochen während einer seiner Inspektionsreisen durch verschiedene Regionen Chinas, waren nicht nur eine Feststellung, sondern vielmehr eine Bestätigung seines Glaubens an die transformative Kraft der Unruhe. Auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution hatte die weitreichende Mobilisierung der Massen das Land in tiefes Chaos gestürzt – ein Zustand, den er als vorteilhaft betrachtete.

Vor wenigen Wochen erlebte ich ein Déjà-vu. Die disruptiven Aktivitäten von Elon Musks „DOGE-Team“ junger Führungskräfte, die in den Vereinigten Staaten ganze Regierungsbehörden systematisch demontieren, um den sogenannten „Deep State“ – ein Konstrukt, das sowohl er als auch seine politischen Verbündeten verachten – zu zerschlagen, riefen in mir eine ferne, aber unbestreitbare Parallele zur Großen Proletarischen Kulturrevolution Maos hervor.

Mein erster Reflex war, eine Künstliche Intelligenz zu konsultieren. Diese warnte mich zwar vor allzu simplen Vergleichen, erkannte jedoch ebenfalls bemerkenswerte Ähnlichkeiten. Auch stehe ich mit dieser Wahrnehmung nicht allein. Zahlreiche aktuelle Publikationen ziehen Parallelen zwischen Musks Eingriffen in die US-Regierung und historischen Umwälzungen wie Maos Kulturrevolution. Analysten wie Orville Schell [1], John Feffer [2] und MacDonald [3] haben auf die weiterreichenden Implikationen dieser neuen Form techno-autoritärer Disruption hingewiesen.

Doch ist Elon Musks Kulturrevolution von oben keine Nachahmung chinesischer Radikalreformen. Vielmehr folgt sie einem klar westlichen Muster – einem, das erschreckende Ähnlichkeiten mit George Orwells dystopischer Vision in “1984” [4] aufweist, beginnend mit der Manipulation der Sprache selbst. Die Schaffung eines zeitgenössischen „Neusprech“ [5] und die Veränderung des politischen Diskurses sind Anzeichen einer tiefgreifenden Transformation – eine, die Orwells prophetische Warnungen erneut ins Bewusstsein rückt.

Wir Europäer könnten versucht sein, dieses Spektakel jenseits des Atlantiks als eine weitere amerikanische Eigenheit abzutun. Doch Selbstzufriedenheit wäre ein fataler Fehler. Dies ist kein isoliertes Ereignis. Es ist Teil einer größeren geopolitischen Verschiebung. Das Ziel ist nichts Geringeres als ein umfassender globaler Reset – eine Agenda, die von Donald Trump selbst vorangetrieben wird.

Diese Behauptung ist wiederum keineswegs nur meine eigene Spekulation. Eine Reihe aktueller Publikationen stützt diese Annahme. Alastair Crooke argumentiert in Eurasia Review in seinem Artikel [6]Europe Faces a MAGA ‘Vibe-Shift’ as Trump Moves to His Primordial Objective: The Global Reset“, dass Trumps Bemühen, eine rasche Lösung des Ukraine-Konflikts herbeizuführen – angeblich zur Normalisierung der Beziehungen zu Russland – in Wahrheit ein Vorbote einer umfassenden geopolitischen Neuordnung sei. Crooke zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft Europas und seiner Führer, die seiner Ansicht nach die Tragweite der aktuellen Entwicklungen nicht erfassen.

Ähnlich beschreibt Hal Brands [7] in seinem Foreign Affairs-Artikel „The Renegade Order“ [8] die US-amerikanische Weltanschauung – eine Sichtweise, die auf den ersten Blick rational und kohärent erscheint. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Realität dafür erheblich zurechtgebogen wurde, um eine bestimmte Botschaft zu untermauern.

Es offenbart sich eine Kontinuität der Doktrin aus dem 19. Jahrhundert, die unter dem Begriff Manifest Destiny bekannt wurde, geprägt durch den Journalisten John O’Sullivan. Die Vorstellung, dass Trump diese expansionistische Mission lediglich weiterverfolgt, wird nicht hinterfragt – sie wird vielmehr bewundert. Einzig die Sorge, dass er damit scheitern könnte, sorgt bei Brands für Unbehagen.

Doch welche Rolle spielt Europa in diesem Konzept? Die Antwort ist eindeutig: Wir sollen dieser Mission dienen. Falls Europa sich weigert, diesem amerikanischen Konzept zu folgen, könnten die Konsequenzen drastisch ausfallen. Martin Wolf, Chefkommentator für Wirtschaft bei der Financial Times, warnt deutlich [9]: „Europa wird entweder die Herausforderung annehmen oder zerfallen. Die Europäer müssen eine weit stärker kooperieren, einen robusten Rahmen liberaler und demokratischer Normen schaffen. Falls sie dies nicht tun, werden sie zwischen den großen Mächten der Welt zerrieben.“

Wolf unterliegt jedoch einer Wunschvorstellung, wenn er fordert, Europa müsse die Ukraine vor einer angeblichen US-russischen Verschwörung retten – als ob Europa bereits für eine solche Aufgabe gewappnet wäre.

Tatsächlich verfolgt die USA keine reine Pro-Russland- oder Pro-Ukraine-Politik Ihre strategischen Interessen liegen woanders. Washingtons Handlungen zielen darauf ab, sowohl Russland als auch Europa zu schwächen und so die eigene Dominanz über Eurasien zu erhalten beziehungsweise zu festigen. Dies ist ein klassisches Beispiel für Offshore Balancing, eine Strategie, die ebenso gegen China im sogenannten Indo-Pazifik angewendet wird. Darauf weist der chinesische Akademiker Han Heyuan hin [10], indem er sich auf die Arbeit des britischen Geopolitik-Strategen Halford Mackinder bezieht. In seiner 1904 veröffentlichten Arbeit „The Geographical Pivot of History“ [11] argumentierte Mackinder, dass die Verhinderung der Vorherrschaft einer einzigen Macht auf dem eurasischen Kontinent stets das zentrale strategische Ziel der angelsächsischen Seemächte gewesen sei. Die USA hätten danach dieses Erbe schlicht vom Britischen Empire übernommen.

Heyuan betont auch eine unbequeme Wahrheit: Im anhaltenden Ukraine-Konflikt gibt es nur einen eindeutigen Gewinner – die Vereinigten Staaten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind hierfür bezeichnend. Der Krieg hat eine Umstrukturierung globaler Lieferketten erzwungen, wobei die USA als größter Profiteur aus Europas Energiekrise hervorgehen. Im Jahr 2022 stiegen die EU-Importe von amerikanischem Flüssigerdgas (LNG) um 154 %, zu Preisen, die dreimal höher waren als jene für russisches Pipelinegas. Gleichzeitig florierte die US-Rüstungsindustrie, mit Konzernen wie Raytheon und Lockheed Martin, deren Aktienkurse um über 200 % anstiegen.

Der Internationale-Politik-Experte Timothy Hopper formuliert es noch deutlicher [12]: „Die Welt erlebt eine Renaissance des Großmachtrivalität und des Neokolonialismus – jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Europa ist nicht mehr die dominierende Kraft oder Kolonialmacht – es ist nun selbst das Ziel. Historisch spielte Europa eine zentrale Rolle in der Gestaltung globaler Politik und Ressourcenverteilung. Doch heute steht es im Kreuzfeuer rücksichtsloser geopolitischer Konkurrenz zwischen den USA, China und anderen aufstrebenden Mächten.

Und tatsächlich – unsere Führungseliten straucheln. Im Gegensatz zu Mao damals und Trump heute betrachten sie das Chaos in der Welt keineswegs als eine günstige Gelegenheit. Konfrontiert mit einer neuen Wirklichkeit, auf die sie nicht vorbereitet sind, wirken sie vielmehr ratlos. Ihre jahrzehntelang gehegten Annahmen über die globale Ordnung hat diese Realität innerhalb weniger Wochen zerstört.

Europa hat lange Zeit in der Illusion eigener Autonomie gelebt – eine Illusion, die vor allem durch die geschickte US-Außenpolitik aufrechterhalten wurde. Doch diese Illusion wird uns nun genommen. Unsere politischen Repräsentanten sind darauf nicht vorbereitet. Führungspersönlichkeiten wie Emmanuel Macron und Keir Starmer scheinen die tektonische Verschiebung in Washington, wo traditionelle Werte wieder dominieren, noch nicht ganz erfasst zu haben.

Unglücklicherweise ist diese neue Realität nämlich unvereinbar mit den Karriereplänen der bestehenden politischen Klasse in Europa. Wenn es hier also zu einem Wandel kommen sollte, wird er nicht von oben kommen. Stattdessen muss er von unten kommen.

Gerne zitiere ich hier eine Erkenntnis, die Newton-John, ein Schriftsteller aus Down Under, kürzlich gewonnen hat, nachdem er sich der respektablen Herausforderung gestellt hatte, 100 Geschichtsbücher zu lesen: „Plötzlich wurde mir klar, dass die Insel des Friedens und des Wohlstands, auf der ich mein privilegiertes Leben lang wohnte, genau das war“, schreibt er, „eine Insel, auf allen Seiten von einem Abgrund aus Gewalt, Aufruhr und Grausamkeit umgeben“. Diese kleine und zerbrechliche Insel darf nicht erneut von den tosenden Fluten des stürmischen Meeres, das sie umgibt, überspült werden.

Da also in den höheren Etagen unserer Gesellschaft keine der jetzt wünschenswerten Heilsbringer zu finden sind, sollten wir Europäer nicht länger auf ein Wunder warten. Es ist an der Zeit, unser Schicksal in unsere eigenen Hände zu nehmen. So wunderschöne Deklarationen wie „Wir, das Volk“ und „Das Volk ist der Souverän“ müssen mehr sein als schöne Rhetorik. Sie müssen zu einer Aufforderung zum Handeln für jeden Einzelnen werden - eine Aufforderung, die nicht nur auf unserem Kontinent, sondern auf dem gesamten Planeten widerhallen muss.

Zeit ist gekommen, unsere Zukunft selbst zu gestalten jeder von uns: Du, ich, wir alle.



[1] Schell, O. (2025, February 19). Trump's cultural revolution. Project Syndicate. (https://www.project-syndicate.org/commentary/donald-trump-mao-zedong-cultural-revolution-parallels-by-orville-schell-2025-02)

  • Orville Schell zieht Parallelen zwischen dem jüngsten politischen Kurswechsel von Präsident Donald Trump und der Kulturrevolution von Mao Zedong und weist auf mögliche Auswirkungen auf die Außenpolitik der USA hin.

[2] Feffer, J. (2025, February 20). The Trump-Musk cultural revolution. Eurasia Review. (https://www.eurasiareview.com/20022025-the-trump-musk-cultural-revolution-oped/)

  • John Feffer diskutiert die Allianz zwischen Präsident Trump und Elon Musk, vergleicht ihr Handeln mit Maos Kulturrevolution und untersucht die möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen.

[3] MacDonald, L. (2025, March 12). Understanding Trump as Mao. Medium. (https://medium.com/@ClimateBoomer/understanding-trump-as-mao-d17c6a85f657​)

  • In diesem Artikel zieht Lawrence MacDonald Parallelen zwischen Donald Trump und Mao Zedong und untersucht die Ähnlichkeiten in ihren Führungsstilen und die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Politik. MacDonald, der seine Erfahrungen als ehemaliger Auslandskorrespondent in China nutzt, gibt Einblicke in die Art und Weise, wie beide Führer etablierte Normen und Institutionen aufbrachen, um ihre Macht zu festigen. Der Beitrag geht auch auf die anti-intellektuellen Einstellungen beider Persönlichkeiten und die Folgen solcher Haltungen für Staat und Gesellschaft ein. ​

[4] Orwell, G. (1949). 1984. Secker & Warburg.

  • George Orwells dystopischer Roman schildert eine totalitäre Gesellschaft unter ständiger Überwachung, in der die Wahrheit manipuliert wird, um die Macht zu erhalten. Die Erzählung dient als abschreckendes Beispiel für die Gefahren repressiver Regime und die Aushöhlung individueller Freiheiten und ist nach wie vor relevant für Diskussionen über Privatsphäre, Freiheit und staatliche Übervorteilung.

[5] Burnett, I. S. (2025, March 18). Operation Newspeak. CounterPunch. (https://www.counterpunch.org/2025/03/18/operation-newspeak/)

  • Ipek S. Burnett untersucht die Manipulation der Sprache durch die Trump-Administration und zieht Parallelen zu George Orwells Konzept des „Newspeak“ in 1984 sowie zu dessen Auswirkungen auf kritisches Denken und Dissens.

[6] Crooke, A. (2025, March 12). Europe faces a MAGA 'vibe-shift' as Trump moves to his primordial objective: The global reset. Eurasia Review. (https://www.eurasiareview.com/12032025-europe-faces-a-maga-vibe-shift-as-trump-moves-to-his-primordial-objective-the-global-reset-oped/)

  • Alastair Crooke erörtert die geopolitischen Auswirkungen der Maßnahmen von Präsident Trump zur Beilegung des Ukraine-Konflikts und zur Normalisierung der Beziehungen zu Russland. Er untersucht, inwiefern diese Schritte Teil einer umfassenderen Strategie zur Schaffung einer neuen Weltordnung sind, die Europa dazu veranlasst, sich an diese bedeutende geopolitische Veränderung anzupassen.​

[7] Brands, H. (n.d.). Author profile. Foreign Affairs. (https://www.foreignaffairs.com/authors/hal-brands)

  • Hier ist das Autorenprofil von Hal Brands auf Foreign Affairs, in dem er seinen Hintergrund als Henry A. Kissinger Distinguished Professor of Global Affairs an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies und seine Beiträge zu diesem Thema beschreibt.

[8] Brands, H. (2025, February 25). The renegade order: How Trump wields American power. Foreign Affairs. (https://www.foreignaffairs.com/united-states/renegade-order-trump-hal-brands)

  • Hal Brands analysiert den unkonventionellen Ansatz von Präsident Trump in den internationalen Beziehungen und seine möglichen Auswirkungen auf die globale Ordnung. The Renegade Order, How Trump Wields American Power, Hal Brands, März/April 2025, veröffentlicht am 25. Februar 2025.

[9] Wolf, M. (2025, February 25). The US is now the enemy of the West. Financial Times.

  • Martin Wolf argumentiert, dass die jüngsten außenpolitischen Entscheidungen der USA, einschließlich der Aufgabe der Ukraine, das Land zu einem Gegner westlicher Interessen machen.

[10] Heyuan, H. (2025, March 12). Weaken and control: The US strategy for Eurasia and China ThinkChina. (https://www.thinkchina.sg/politics/weaken-and-control-us-strategy-eurasia-and-china)

  • Dieser Artikel befasst sich mit der Strategie der USA, sowohl Russland als auch Europa zu schwächen, um ihren Einfluss auf Eurasien und China zu wahren.

[11] Mackinder, H. J. (1904). The geographical pivot of history. The Geographical Journal, 23(4), 421–437.

  • In diesem bahnbrechenden Werk stellt der britische Geograf Halford John Mackinder die Heartland-Theorie vor, die besagt, dass die zentrale Region Eurasiens (das „Heartland“) aufgrund ihrer strategischen und ressourcenreichen Lage der Schlüssel zur globalen Vorherrschaft ist. Diese Arbeit hat das geopolitische Denken und die Politik im 20. Jahrhundert nachhaltig beeinflusst.

[12] Hopper, T. (2025, March 17). Trump and the return to economic colonialism: Coercive diplomacy as a new tool. Eurasia Review. (https://www.eurasiareview.com/17032025-trump-and-the-return-to-economic-colonialism-coercive-diplomacy-as-a-new-tool-oped/)

  • Timothy Hopper erörtert Präsident Trumps Taktik der Zwangsdiplomatie und ihre Ähnlichkeit mit dem historischen Wirtschaftskolonialismus, wobei er sich auf den jüngsten Umgang mit europäischen Staaten konzentriert.

If you too believe that...

If you too believe that... we need to take decisive action against further devastation of our planet, climate change knows no compromises, g...